Raphael

Raphael hat nichts mit einem Erzengel zu tun. Ich nenne ihn Raphael, nach Raphael Wicky. DEM Crush meiner Jugend, was war ich damals „verknallt“.

„Mein“ Raphael hat mich auf einer Datingplattform angeschrieben – meine Lust auf Dating und Männer ist eigentlich sehr gering, zumal er auch noch aus der gleichen Ecke wie Bruno kommt.

Seine Mail ist super sympathisch, ebenso seine Fotos und Antworten auf die vorgefertigten Fragen der Datingapp. Entgegen meiner sonstigen Vorsicht wechselten wir super schnell zu WhatsApp.
Unglaublich, er war tatsächlich so sympathisch. Und dann kam die erste Sprachnachricht. Ich HASSE Sprachnachrichten, aber hier – ich war augenblicklich verliebt. Das hatte ich im übrigen das letzte Mal 1994 und das Objekt meiner damals noch kindlichen Begierde hieß Paddy Kelly, damals hatte das mit der Ehe nicht so geklappt
Seine Stimme hatte eine männliche dunkle Verfärbung, einen melodischen Tonfall und man fühlte sich seltsam umarmt. Würde er mir stundenlang von seinem letzten Stuhlgang erzählen, ich würde mit leuchtenden Augen zuhören.
Ich bin sapiosexuell (klingt pervers, ist langweilig), er Fußball interessiert, sehr gebildet, wahnsinnig gut aussehend super vielseitig- und ich fühle mich daneben mit meinem 129er IQ dumm und ungebildet, maximal mittelmäßig hübsch und absolut uninteressant.
Alles in mir will diesen Mann, während ich mich gleichzeitig frage ob ich für ihn eine schnelle Nummer, ein interessantes Projekt, eine neue Erfahrung oder wirklich interessant bin.

Selbst das er bereits Kinder hat, interessiert mich nicht. Versteht mich nicht falsch, die allermeisten Kinder finde ich toll. Aber bei einem Partner mit Kindern gibt es soviele Variablen: Die Kinder könnten dich hassen, sie wollen Papa nicht teilen, sie wollen plötzlich bei ihm leben und du nervst uvm. – aber all das juckte mich plötzlich nicht. Ich dachte lediglich „Ach, kriegt man alles hin“ und sah mich am Wochenende schon auf irgendeinem Sportfest mit Helikoptermuttis. Vorher sah ich mich lediglich ausgeschlafen in der Sauna relaxen, wenn ich schon das Haus verlassen muss.

Das erste Treffen war magisch, ich hing an seinen Lippen – also auch. Entschuldigt, da war ich wohl gedanklich abgeschweift.
Hatte ich in den letzten Jahren oft mit dem Gedanken gespielt, dass Monogamie unnatürlich ist, so will ich nichts mehr als kleine Raphaels, seinen Nachnamen und Monogamie.
Der Sex war großartig, obwohl das „erste Mal“ für gewöhnlich absolut beschissen ist.
Ich hätte nichts dagegen, wenn er morgen hier einzieht – abartig, habe ich letzte Woche doch noch lieber zehn Katzen als einen Mann aufnehmen wollen. Es würde mich nicht mal stören, würde er 24/7 rohes Fleisch futtern.
Aber ich spüre auch Gefühle, die ich bestimmt ein Jahrzehnt nicht mehr hatte. Ich weiß nicht, was erschreckender ist – das ich alt bin oder das ich diese Gefühle habe. Liebe, Selbstzweifel, Eifersucht, Verehrung, Misstrauen, Glück, Zuversicht und ein riesiger Druck alles perfekt zu machen wechseln sich ab.

Was würde ich jetzt dafür geben zu sehen, wo wir in einem Monat, einem Jahr stehen. Darum, dass er immer steht, kümmere ich mich. Also ich mein, dass es ihm immer gut geht – nicht was ihr denkt.


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