Frank schreibt ständig. Eigentlich ja süß, zeugt es von Interesse.
F: „Ich vermiss dich.“
F: „Denk nur an dich.“
F: „Kann nicht schlafen, denk an dich.“
F: „ Hab Kopfkino.“
Puuuh. Am liebsten würde ich antworten „wer mir ständig auf die Eier geht, kann nicht schlafen.“ Aber ich bin ja diplomatisch.
J: „Dann spiel ein bisschen an dir rum und schlaf dann. Gute Nacht.“
Nun, am nächsten Tag waren es trotzdem wieder 9 Nachrichten.
„Leider“ war ich an dem Tag sehr beschäftigt, konnte nur kurz und knapp antworten. Wer hat mir gerade Absicht unterstellt? Vielleicht ein bisschen.
Bei der Physio war ein Mann auf der selben Trainingsfläche wie ich. Er hatte eine sehr hohe Stimme. Diesen Mann stellte ich mir in verschiedenen Lebenssituation vor: Stell dir vor, du hast mit so jemandem Sex, Dirty Talk, und dabei klingt er wie Finchen aus der Sesamstraße.
Erzähl ich Frank später. Krieg eine Sprachnachricht zurück „Hihi ne ich klinge nicht wie Finchen!“ – stimmt, du bist Kermit. Oh Gott, stellt euch Dirty Talk mit Kermit vor. Schlimmer als ein Franzose der „Oui oui ouiii“ quietscht. Ich selber habe nicht hart an meiner Katy Karrenbauer Stimme gearbeitet um dann einmal Kermit zu Daten.
Seitdem ich seine Stimme kenne, will er ständig telefoniere.
Mein Handy klingelt ständig. Ich wünschte fast, mein Opa riefe an, weil er wieder mal PC Probleme hat. Aber nein, die WhatsApp Nachrichten und Anrufe von Frank prasselten auf mein Handy ein, wie die Hochrechnungen an Wahltagen.
F: „Ich vermiss dich.“
F: „Denk nur an dich.“
F: „Kann nicht schlafen, denk an dich.“
F: „Was treibst du?“
F:,„Schatzi, ist so schön mit dir!“
Hä? Was ist schön? Das ich nicht antworte? Oder ist das Ironie? Ah fuck, ausversehen Chat geöffnet, jetzt muss ich antworten.
J: „Sag nie wieder Schatzi, ekelhaftes Wort.“
Kurzer Einwand meiner Schwester: „Schatzi? Schmutz. Blockier ihn.“
F: „Schatzi Schatzi Schatzi“
Wer mich kennt weiß jetzt, wie kurz vorm explodieren ich bin. Es macht mich rasend, wenn ich jemandem sage, dass ich etwas nicht mag und er es extra macht. Das erinnert mich an unseren ehemaligen Nachbarsjungen: Er jagte meine Katzen. Aber nicht spielerisch, böswillig. Gewalt oder auch nur der Gedanke daran, schwächeren Lebewesen Gewalt an zu tun, machen mich zu Hulkine. „Ey Igor, lass das gefälligst sonst jage ich dich gleich mal.“ Hatte wohl gefruchtet, er verschwand in seinem Garten und ich konnte mich wieder meiner Zigarettenpause widmen. Plötzlich kam dieser dicke Junge (wirklich dick) angepoltert, warf mir lebende Schnecken vor die Füße, stampfte sie in den Boden und drehte seinen Fuß hin und her. „Da du Ziege, hast du jetzt davon!“ – Ich war sprachlos. Es braucht viel, damit ich die Schnauze halte. Schlaganfälle zum Beispiel. Natürlich hatte ich ihn von da an auf dem Kicker. Und als seine Mutter den Verdacht hatte, ihr Mann hätte eine Affäre, hab ich nur mein Verständnis für ihn ausgedrückt. Aber hier bin ich wohl mal wieder abschwiffen.
Zurück zu Frank.
J: „Die vielen Nachrichten nerven. Ich weiß ja, das du an mich denkst.“
F: „Aber ich habe dich so lieb!“
J: „Jopp.“
Er kann tatsächlich auch richtige Gespräche führen, aber scheinbar gibt es dafür feste Timeslots.
Dafür erwische ich mich immer wieder beim Kopf schütteln.
Wenn man heiratet, ist es eine Entscheidung für einander und man darf diese Ehe nicht trennen. Erst recht nicht, wenn Kinder im Spiel sind – sagt er. Mein Einwand, dass ich sicher nicht bei einem Mann bleiben würde, welcher mich nicht gut behandelt oder heimlich seine Sekretärin vögelt, wurde mit einem „ja, das macht man ja auch nicht“ abgeschüttelt. Nein, natürlich macht man das nicht. Aber wenn der Sex oder überhaupt körperliche Zuneigung nicht mehr gegeben ist, neigen Menschen dazu sich diese woanders zu holen. „ ja, deshalb sollte man auch regelmäßig für seinen Partner Sex haben, auch wenn man gar nicht will.“ – Brudi, was? Hast du mir gerade gesagt, dass ich Sex über mich ergehen lassen soll, gegen meinen Willen?
Ich beende das Thema, indem ich ihm mitteile, dass ich das ganz anders sehe. Keine Lust auf Diskussionen, die uns gar nicht betreffen.
Solche mittelalterlichen Einstellungen erzeugen in mir absolutes Unbehagen. Auch die Romantisierung der Ehen unserer Vorfahren. Natürlich ist es möglich, dass sich unsere (Ur-)Großeltern und die davor und so weiter wirklich geliebt haben. Es ist aber auch möglich, dass die Ehe für beide die Hölle war. Arrangierte Ehen, Gewalt. Ich unterstell noch nicht mal Bösartigkeit, aber das Leben passiert. Wir sammeln Erfahrungen, vielleicht Traumata, erleben schöne und auch möglicherweise sehr schlimme Dinge (Krankheiten, plötzliche Todesfälle etc.) und das prägt unseren Charakter. Nehmen wir doch nur Corona als Beispiel – bist du immer noch der selbe Mensch wie vor dieser Pandemie? Ich bin’s definitiv nicht.
Würde ich mir wünschen, dass eine Ehe für immer hält? Natürlich, verdammt. Ich werde aber niemals behaupten, dass diese Ehe für immer halten muss. Sie darf gern halten und ich bin auch bereit dafür zu arbeiten – aber eine Ehe ist keine Einbahnstraße und ich bleibe nicht, wo ich nicht gewünscht bin. Und ich bleibe schon gar nicht da, wo mein Wille nicht zählt.
Ich möchte euch nicht so langweilen und aufregen wie er mich, ich melde mich wieder wenn ich Frank getroffen habe..
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