Oma feierte ihren 89. Geburtstag. Zum Essen ging ich nicht, da die Gerichte alle Fleisch enthalten. Also aß ich zu Hause und fuhr dann nach, um zu trinken. Memo an mich: es ist nicht clever eine Gemüsepfanne als Grundlage zu nehmen, wenn man mit meiner Familie trinkt.
Der Abend war lustig, Oma orderte einen Julischka nach dem andern und der Wein wurde in 0,4l Karaffen ausgeschenkt. War ich betrunken? Möglicherweise. Habe ich mit Peter per WhatsApp geflirtet? Möglicherweise. Habe ihm zu unserer Diskussion über Kinder irgendwann gesagt „wir verhüten irgendwann einfach nicht und gucken was passieren“? Möglicherweise. Hab ich ihn nach dem Geburtstag zu mir eingeladen? Möglicherweise.
Ja, es ist nicht klug, im betrunkenen Kopf, fremde Männer nach Hause einzuladen. Jeder, der mir davon erzählt hätte, dass er das gemacht hat, wäre von mir eingewiesen worden. Aber Peter ist einfach anders. Natürlich könnte mein Bauchgefühl hier einfach wieder spinnen (Zitat meines Ex: „Boah Jenny, wo ist deine so gute Menschenkenntnis hin?“). Der respektvoller Umgang über all die Wochen hat eine gewisse Vertrautheit zwischen uns entstehen lassen. Ich glaube, wenn ich nackt auf dem Bett liegen würde, würde Peter nur sagen „Unterkühl dich nicht“ und würde mich zudecken. Ja, das ist SEHR VIEL Vertrauen in einen Mann. Fakt: Peter kam mal eben die 100 km.
Natürlich wollte ich ihm nicht betrunken die Tür öffnen, also kippe ich mir 1 l Wasser hinter die Binde und zur Sicherheit eine Tafel Schokolade obendrauf. Als ich mit meinem Mitternachts Snack fertig war, kam Peter. Mein erster Gedanke: oh, mein Gott ist ist er schön. Wir waren uns gleich vertraut, als würden wir uns schon ewig kennen. Zu aller erst musste er Dschungelcamp schauen, schließlich hatte ich die Folge verpasst. Ob ich ihm damit zu viel zugemutet habe, immerhin hat er seit fünf Jahren keinen Fernseher? Nein, er war in seinem Element. Jörg war sein Favorit (vielleicht auch, weil er ihn als Einziger kannte). Nachdem das Dschungelcamp zu Ende war, wollte ich bei RTLplus schauen, was es noch für uns gibt. Das Fernsehprogramm um 2:00 Uhr morgens ist nämlich recht bescheiden. In der Kategorie „ jetzt weiter streamen“ erschien „Hartz Rot Gold“. Nun, Peter wollte wissen, was das ist, was sollte ich tun? Ich musste das anmachen. Damit er auch hier nichts verpasst, starten wir bei Staffel eins Folge 1. Irgendwann gestikulierte er mit den Händen zum Inhalt der Serie und ich habe unbedacht in seine Hand eingeschlagen. Das war’s aber auch.
Kurze Zeit später gestikulierte er wieder und ich schlug wieder ein. Tja, nur lies er meine Hand dieses Mal nicht los – ja, wir hielten Händchen.
Der Müdigkeit geschuldet, und auch vielleicht dem Alkohol, seinem Geruch und dass ich mich so sicher gefühlt habe, lag irgendwann mein Kopf auf seiner Schulter. So ein Kopf ist halt schwer, das versteht ihr doch sicher. Wir schauten so noch einige Zeit das hochintellektuelle Fernsehprogramm. Irgendwann sagt er was zum Geschehen in der Serie, ich will ihm zustimmen, drehe meinen Kopf und er zufällig auch. Möglicherweise haben wir uns geküsst
Und ja: wir haben uns einfach nur geküsst. Wir haben nicht gefummelt oder irgendwas, wir haben nur geknutscht. Ohne Zunge. Fand ich früher ultimativ heiß, wenn jemand meinen Kopf beim Küssen in die Hände nimmt hat, so habe ich nun eine ganz andere Intensität wahrnehmen dürfen: wenn er deine linke Wange festhält, deine rechte Wange küsst und danach seine Wange gegen deine lehnt, ohne die Hand wegzunehmen – Wow! Selbstverständlich auch spiegelverkehrt. Oder beim Küssen leicht dein Kinn hält. Wollte ich damit aufhören? Nein. Verdammt. Klingelte mein Handy um 3:30 Uhr? Ja, verdammt. Wer um diese Uhrzeit anruft? Meine Schwester natürlich. Bin ich drangegangen, weil ich wusste, sie ist unterwegs und hat vielleicht Probleme oder Angst auf dem Nachhauseweg? Natürlich. Sollte ich es bereuen? Natürlich.
Im folgenden steht J für Jenny und D für Denise.
J: ja, bitte?
D: (völlig euphorisch) Bei dir ist noch Licht an.
J: ich gucke Fernsehen.
D: ganz schön spät. Bist du alleine?
J: nein.
D: aha aha aha du kleine Maus, wer ist da?
J: niemand.
D: Ach Peter. Ich komm jetzt rein und dann trinken wir ein Bier zusammen.
J: nein, das tust du nicht. Wage es dich!
Anmerkung: sie hat einen Haustürschlüssel von mir.
D: lass mich rein, oder ich mache den Hund wild.
J: geh nach Hause du bist betrunken.
D: nein, ich will nur Zeit mit euch verbringen.
J: später.
Lautes bellen aus der Küche
D: Hexenlache – ha ha, ich hab ihn gefunden! – Babystimme – Na, mein kleiner Süßer hat sie wieder fremde Männer da?
Er bellt immer aufgeregter
J: wie kann man so scheiße sein?
D: ich mach mir doch nur Sorgen. Muss das gleich mal den anderen Mädels erzählen.
An dieser Stelle habe ich kommentarlos aufgelegt. Mich möglicherweise in Grund um Boden geschämt. An dieser Stelle noch mal: herzlichen Dank, du blöde Kuh.
Im ersten Augenblick dachte ich, dass das Telefonat mit meiner Schwester unsere Stimmung getötet hat. Nein, wir knutschen weiter und weiter. Jetzt ich weiß, ihr wartet auf Spicy Content. Aber ich kann von keinem erzählen, den es nicht gab. Es tut mir wirklich leid. Wobei na, eigentlich nicht. Er berührte Ausersehen in einer Drehung mit dem Ellbogen meine Brust. Es hat sich noch nie ein Mann dafür 2x entschuldigt, er dafür gleich 47 mal. Alles, was an diesem Abend lief, war von Zärtlichkeit und Respekt geprägt. Kann sein, dass er meinen Körper wollte, aber er hat es sich nicht anmerken lassen. Auch seine Küsse wurden nicht fordernder. Ganz neues geiles Gefühl, wenn sich jemand nicht fürs Einlochen interessiert, sondern nur dafür, dir nahe zu sein. Das Ganze erreichte dadurch eine ganz neue Stufe der Intimität.
Gegen 4:00 Uhr wollte Peter dann mal nach Hause. Der Boden war gefroren die Temperatur im Minusbereich. Es sagt dunkel und er hatte immer noch 100 km zu fahren. Also bot ich ihm (wirklich ohne Hintergedanken) an, dass er auch bei mir schlafen können. Er schaute mich darauf hin fast verschreckt an. „Du kannst auch hier auf dem Sofa schlafen, du musst nicht mit mir ins Bett. Ich dachte nur, weil es schon spät ist“ – „Nein, nein ich fahre nach Hause. Das gehört sich nicht.“. Okay wow, der Mann hat sich besser unter Kontrolle als jeder katholische Priester. Und die hätten sich besser oft unter Kontrolle gehabt.
An der Tür hat er meine beiden Hände genommen und sich für den schönen Abend bedankt, während er mich küsste. Dabei sahen wir uns in die Augen, und für einen kurzen Moment wirkte es, es gäbe keine Differenzen zwischen uns.
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