Der Amerikaner

Über Reddit lernte ich Josh kennen. Josh hatte ein Faible für behinderte Frauen und ich fand’s spannend. Wir telefonierten öfter über Skype, schrieben uns täglich und Sympathie war da. Also tat ich etwas, was ich noch nie getan hatte: ich nahm sein Angebot mich zu besuchen an.
Wer es jetzt total romantisch findet, dass er nur für mich über den großen Teich flog- Error, er studierte in Rom.

Ich holte ihn vom Flughafen ab und wurde direkt enttäuscht. Der (seine Beschreibung) 1,80m große Mann mit kleinem Bauch war nicht größer als ich, dafür aber gefühlt 50kg leichter. Warum beschreibt man sich anders als man ist?
Zu Hause angekommen musste er mich erstmal zehn Minuten umarmen und wie ein Vögelchen küssen. Wie ein Vögelchen küsst? Wissen tue ich es jetzt auch nicht, stelle es mir aber so vor: kurz und zärtlich, als würden sie ein Körnchen picken.

Später besuchten mich noch Freunde, schließlich war Spieltag der zweiten Bundesliga. Ach, wem erzähle ich das. Der HSV war ihnen Scheiß egal, es ging um Josh.
Sie waren richtig angetan von ihm, wie fürsorglich, freundlich, lustig und höflich er war.

Schlafen durften wir dann alleine und möglicherweise fummelten wir ein wenig. Wieder gab es nur Vogelküsschen und als ausversehen zwei Tropfen Sperma auf meinem Bauch landeten, sprang er auf und holte ein Handtuch. Ich stellte nur fest, dass es nicht giftig sei und er sagte schüchtern lächelnd „bevor du schwanger wirst“. Musste lachen, kann ja keiner ernsthaft glauben. Nachts schlief ich gefühlt in einem Schraubstock, bestehend aus lauchigen Ami Armen.

Am nächsten Tag zeigte ich ihm Köln, er wollte den Dom und ein Kunstmuseum besichtigen. Hatte ein bisschen Panik, dass ich beim betreten des Doms vom Blitz erschlagen werde- aber wie ihr lesen könnt, blieb ich verschont. Bei Besichtigung der ewigen Baustelle fiel mir auf, was hier möglich ist und beim Bäcker nicht: Zahlen/ spenden per Kredit- oder EC Karte. Josh aber hatte Bargeld und spendete 50€. In meinem Kopf überlegte ich, wo er es hätte nutzloser ausgeben können. Er lief durch diese Kirche wie ein Kind durch einen Spielzeugladen – ich glich wahrscheinlich eher einem Kind in einem Haushaltswarenladen, sehr gelangweilt.
Danach gingen wir ins Kunstmuseum. In der Austellung gingen wir auf eine abgenutzte Werkbank mit Farbspritzern zu. Ich stellte trocken fest, dass sie den Müll ja hätten entsorgen können. Josh guckte mich erschrocken an und stellte fest, dass das das erste Ausstellungsstück sein. Upsi. Hiermit biete ich einen Esstisch zum Verkauf, den ich mit einer Axt zerhauen habe. Heißt „Die Andere“.
War nett, einen Picasso und Werke anderer großer Künstler in „echt“ zu sehen, aber meine Interpretationen der Gemälde war wohl abenteuerlich. Ich kann halt mehr in Kindergartenkrakeleien erkennen.

Nach dem Pflichtprogramm kam dann endlich was für mich: Kneipe. Brauhaus. Kneipe. Nach fünf Kölsch erzählte er mir, dass er möglichst auf Sex verzichten möchte, da er sich das für seine Ehefrau aufheben will- Jungfrau sei er aber nicht mehr. Das man mit diesem Penis keinen Sex haben kann, frustrierte mich schon etwas. Ich glaube er stand für Naturdildos Modell. Abends wollte er dann noch den Rhein sehen und dann ging es mit der letzten Bahn nach Hause. Meine Strickjacke rutschte in der Bahn von der Schulter und man konnte meinen nackten Arm sehen. Josh zog die Jacke blitzschnell hoch und erklärte mir, das es zuviel nackte Haut sei. Joke, dachte ich. Es gab noch ein paar Vögelküsschen und dann wurde zuhause nur noch geschlafen – selbstverständlich im Schraubstock.

Sonntag Nachmittag stand sein Rückflug an und er wollte noch ein bisschen mit mir im Bett bleiben. Vogelküsschen – und irgendwann fragte ich, warum er eigentlich nie „richtig“ knutschen würde, also mit Zunge. Er schaute mich erschrocken an und stellte fest, dass fremder Speichel im Mund total ekelhaft sei. Okay kleiner Josh, alles wird gut. Er verpasste mir einen Orgasmus ohne knutschen – und rollte sich plötzlich auf mich. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit „Du bist gekommen, wir können jetzt Sex haben ohne das du schwanger wirst.“ What the fuck!? Es war sein völliger Ernst. Der Mann, der Politik an der Georgetown studierte und Diplomat werden wollte, hatte dies völlig Ernst gemeint. „Leider“ kam es nicht zum Sex, ich musste ja auf Klo und danach mussten wir uns anziehen und Kaffee brauchte ich ja auch.

Nachdem er am Flughafen abgesetzt war, war ich erleichtert. Und mal wieder musste ich über meine eigene Naivität lachen, dass ich nicht gecheckt habe, dass er das alles jederzeit völlig Ernst gemeint hatte.
In der darauffolgenden Woche habe ich Hintergrundrecherchen zu ihm durchgeführt- schockiert lies ich das dann irgendwann sein.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert